· 

Sag mir, was du denkst: Über Meinungsbildung, Wahrheit und Fakenews

Lesedauer: 2 Minuten

Thema: Psychologie

Autorin: Sabine Stoll

 

#psychologie #fakenews #postfaktischeszeitalter #medien #politik #demokratie

In Politik und Medien wird geredet und diskutiert, was das Zeug hält. Auch privat tun man gerne seine Meinung kund. Mit echter Meinungsbildung hat das oft nichts zu tun. Ein Beitrag darüber, wie wichtig es ist, eine Meinung zu haben – auch im Arbeitsleben.

Klar, in der Arbeitswelt ist das auch ein grosses Thema. Gegenüber Kundinnen, Arbeitskollegen und Vorgesetzten muss ich Stellung beziehen, meine Meinung äussern. Habe ich eine klare und fundierte Meinung entwickelt, hilft mir das, Irrtümer, Denkfehler oder Vorurteile zu vermeiden. Und Manipulation vorzubeugen. Unterm Strich kann ich so bessere Arbeit anliefern: valide Ergebnisse, klare Positionierungen, deutliche Empfehlungen.

 

Echte Meinungsbildung ist eine Herausforderung. Doch – wie funktioniert die eigentlich genau? Wie denke ich selbst? Wie bilde ich mir ein Urteil über einen Sachverhalt – und warum sollte ich das überhaupt tun?

Von unmündigen Menschen, die selbst Schuld sind

Bereits Immanuel Kant fand, dass Meinungsbildung dabei hilft, Irrtümer und Vorurteile zu vermeiden. (Bild: Fotografiert von Tingey Injury Law Firm, Las Vegas, USA. Credits: unsplash.com)
Bereits Immanuel Kant fand, dass Meinungsbildung dabei hilft, Irrtümer und Vorurteile zu vermeiden. (Bild: Fotografiert von Tingey Injury Law Firm, Las Vegas, USA. Credits: unsplash.com)

Schon Immanuel Kant, ein deutscher Philosoph der Aufklärung, stellte solche Fragen: «Wie kommt der Mensch aus seiner Unmündigkeit heraus?» und «Wie kann er selbst denken?». Kant fand, dass die Menschen primär das übernehmen, was sie von anderen hören. Damals betraf das in erster Linie die Meinung der Kirche. Dass wir uns keine eigene Meinung bilden, schob der Philosoph auf die fehlende Motivation.

 

Wir wollen uns gar keine eigene Meinung bilden, da das anstrengend ist und Menschen faul, feige und willensschwach sind. 

 

Dabei hielt Kant es für ungeheuer wichtig, sich eine eigene Meinung zu bilden. Das helfe dabei, Irrtümer und Vorurteile zu vermeiden. So viel zu Kant. Der berühmte Aufklärer stellte allerdings keine hilfreichen Tipps zur Verfügung, wie genau das Denken denn gelingen könnte. Dabei ist das der Knackpunkt an der Sache.

Meinungsbildung – was ist das eigentlich?

Nur, weil ich mich zu einem Thema äussere, habe ich längst noch keine Meinung. Eine eigene Meinung zu haben, heisst: kritische, reflektierte und sachbezogene Meinungsäusserung. Das ist gar nicht so einfach, kann aber erlernt werden. Eine echte Meinung zu entwickeln, ist auch eine Frage der richtigen Methoden und Werkzeuge.

Die Spreu vom Weizen trennen

«Bullshit» von echter Information zu unterscheiden, ist nicht immer einfach. (Bild: Fotografiert von Glen Noble. Credits: unsplash.com)
«Bullshit» von echter Information zu unterscheiden, ist nicht immer einfach. (Bild: Fotografiert von Glen Noble. Credits: unsplash.com)

Sogenannte Fakenews bieten Informationen, helfen dafür nicht bei der Meinungsbildung weiter. Das trifft auch auf unterirdisch recherchierte Blogartikel zu. Oder falsch aufbereitete Statistiken. Der erste Schritt hin zur Meinungsbildung ist also die Unterscheidung zwischen Bullshit und echter Information, wie es der deutsche Philosoph Philipp Hübl plakativ nennt. Anders ausgedrückt: um mir eine Meinung zu bilden, muss ich passende Quellen studieren. Dabei sollte ich mir der Qualität dieser Quellen bewusst sein. Eine richtige Quelle von einer falschen zu unterscheiden, ist nicht einfach. Man spricht heute bereits vom postfaktischen Zeitalter, in dem wir leben. Fakenews, Verschwörungstheorien und Humorblätter wie der Postillon, die im Endeffekt auch falsche News verbreiten, scheinen den Eindruck zu festigen. 

Wenn nur die Wahrheit zählt

Von solchen pessimistischen Zeitdiagnosen muss ich mich allerdings nicht davon abhalten lassen, auf die Suche nach geeigneten Quellen zu gehen. Denn neben zahlreichen, sagen wir mal, eher schwierigen Quellen, finden sich im Netz unzählige nützliche Informationen. Ich muss einfach wissen, wie ich mit den verfügbaren Daten umgehe, wie ich sie bewerte und was ich daraus mache. 

 

Um statistische Daten richtig deuten zu gehen, muss ich keine Mathematikerin sein, aber über ein gewisses Grundwissen verfügen. Eine wesentliche Kompetenz aus meinem sozialwissenschaftlichen Studium ist, wissenschaftliche Quellen einordnen und werten zu können. Gründliche Recherche und kritisches Hinterfragen sind ebenso wichtig. Stimmen mehrere Details eines Artikels nicht, bin ich vorsichtiger, misstrauischer, prüfe die erwähnte Informationen nach. 

Langsam denken, statt schnell urteilen

Auf der Suche nach der Wahrheit bzw. den richtigen Quellen warten einige Stolpersteine auf uns. Menschen tendieren dazu, primär nach Informationen zu suchen, dir ihre Meinung bestätigen. Unbewusst natürlich. Solche Effekte zeigen sich übrigens auch in wissenschaftlichen Studien, nicht nur  Ich kann also ganz bewusst meine Meinung auf den Prüfstand stellen und nach Gegenargumenten Ausschau halten. 

 

Zudem kann ich mir Zeit nehmen. Für gründliche Recherche, Nachhaken, Nachfragen, Argumente abwiegen und Überlegen.

Gleich weiterlesen:

Der blinde Fleck: Daten als Entscheidungsbasis

Wir leben in einer Welt, in der wir unglaublich schnell und einfach Zugang zu Wissen haben. Entscheidungen können wir also ganz einfach datenbasiert treffen – oder hat die Sache einen Haken?

Digitale Empörungswellen: der Shitstorm

Der Shitstorm ist sicher allen ein Begriff und längst digitaler Alltag der Netzkultur. Ein Artikel über Folgen, Ursachen und was man dagegen tun kann.


Kommentar schreiben

Kommentare: 0