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Digitale Sinus-Milieus: Das steckt dahinter

Lesedauer: 5 Minuten

Thema: Zielgruppen

Autorin: Sabine Stoll

 

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Mit den Sinus-Milieus sind praktische und empirisch fundierte Zielgruppenbeschreibungen entstanden, die sich für Marketing und Wissenschaft nutzen lassen. Die digitalen Sinus-Milieus gehen noch einen Schritt weiter und zeigen, wie die einzelnen Milieus neue Medien nutzen und online angesprochen werden können.

Kürzlich habe ich über den Nutzen der Sinus-Milieus berichtet. Das Sinus-Institut hat mit den Milieus ein Modell entwickelt, dass die Einstellungen und Verhaltensweisen von Menschen erklärt. Der Ansatz geht damit weit über die Beschreibung soziodemografischer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Einkommen hinaus. Sondern befasst sich auch mit Werten und dem Lebensstil der Personen. Für wissenschaftliche Zwecke ebenso wie für Werbung und Marketing nutzbringend. Denn die Milieus basieren auf empirischen Forschungen des Instituts und lassen sich somit ausgezeichnet für die Definition von Zielgruppen und passenden Werbemassnahmen verwenden. 

 

Natürlich stehen der Umgang mit digitalen Technologien wie auch die Onlinekompetenz immer mehr im Vordergrund. Dafür hat das Sinus-Institut ein Modell entwickelt, das auf den bekannten und bereits gut ausgearbeiteten Milieus basiert.  Die digitalen Sinus-Milieus können z. B. für Google Ads oder Facebookwerbung genutzt werden. Aktuell gibt es die digitalen Milieus nur für Deutschland und nicht im Detailmodell für die Schweiz. Im Gegensatz dazu existieren für die Schweiz (übrigens auch für Österreich) eigene Milieus, die auch empirisch fundiert sind.

Digitale Sinus-Milieus in drei Gruppen

Wenig überraschend unterteilen sich die digitalen Sinus-Milieus in drei Gruppen, die verschieden mit digitalen Technologien umgehen: Digital Natives, Digital Immigrants und Digital Outsiders. Ein Milieu kann dabei auch unterschiedliche Onlinekompetenzen in sich vereinen. Die Digital Outsiders finden sich in erster Linie bei den Prekären und Traditionellen, ein bisschen auch innerhalb der bürgerlichen Mitte. Wie der Name es bereits andeutet, sind Digital Outsiders Personen, die nicht oder kaum mit dem Internet agieren bzw. davon sogar ausgeschlossen sind. Diese Personengruppe verfügt nicht über einen Internetzugang oder kann einen solchen nur eingeschränkt nutzen. Auch herrscht bei den Outsiders oft Skepsis, Ablehnung oder Unsicherheit gegenüber modernen Technologien vor: Angst vor Abhängigkeit, Überwachung oder Datendiebstahl können ebenso Gründe sein wie mangelndes Interesse oder Zeit.

 

Die grösste Gruppe stellen die Digital Immigrants dar. Sie finden sich bei den Hedonisten, Prekären, in der bürgerlichen Mitte und bei den Traditionellen ebenso wie bei den Sozialökologischen, Konservativ-Etablierten, Liberal-Intellektuellen und Performern. Die digitalen Einwanderer sind nicht mit digitalen Technologien aufgewachsen, sondern mussten diese erst (ungefähr im Erwachsenenalter) kennen- und erlernen. Digital Immigrants setzen sich bewusst mit Technik und deren Möglichkeiten auseinander und nutzen diese später oft wie selbstverständlich. 

 

Digital Natives sind in den Milieus Performer, Pragmatische, Sozialökologische, Hedonisten und Expeditive zu finden. Im Gegensatz zu den anderen beiden Gruppen sind sie mit digitalen und Onlinetechnologien aufgewachsen. Sie haben die Welt also bereits als Verschmelzung zwischen Offline- und Onlinewelt kennengelernt. Computer, Internet, Smartphone, Social Media und Instant Messaging – all das ist selbstverständlich für die Digital Natives.

Vorsichtig, effizient oder souverän?

Die Einteilung in die drei oben genannten Gruppen ist noch recht grob und sagt nur bedingt viel über das Verhalten von Zielgruppen im digitalen Raum aus. Entsprechend hat das Sinus-Institut die Milieus noch weiter spezifiziert und sechs dominante Grundhaltungen identifiziert. Die digitale Einstellung lässt sich jeweils einem Sinus-Milieu zuordnen.

 

Digitale Sinus-Milieus.
Digitale Sinus-Milieus. (Quelle: Eigene Darstellung nach microm und Sinus-Institut.)

 

Traditionelle und die bürgerliche Mitte sind vorsichtig. Diese Milieus kennen sich weniger gut mit digitalen Technologien und dem Internet aus und müssen sich deshalb erst einmal an digitale Standards herantasten. Auch beim Thema Datenschutz sind die beiden Milieus eher skeptisch. Bemüht hingegen sind die Prekären, die nur geringe Ressourcen haben, um am digitalen Leben teilzunehmen. Demgegenüber steht ihr grundsätzlicher Wunsch, in digitalen Räumen teilhaben zu können. Eher selektiv verhalten sich die Konservativ-Etablierten, Sozialökonomischen und Liberal-Intellektuellen. Ihr Umgang mit dem Internet ist souverän; sie suchen sich gezielt passende Inhalte und Angebote heraus, die sie nutzen möchten.

 

Der Umgang von Performern und Adaptiv-Pragmatischen mit digitalen Räumen ist effizient. Sie nutzen digitale Räume selbstverständlich und sind darauf bedacht, aus den vorhandenen Angeboten den grössten Nutzen zu ziehen. Die Expeditiven gehen souverän mit dem Internet um, trennen Offline- und Onlinewelt nicht mehr. Diese Gruppe gehört zu den Early Adopters und setzt Trends im Web- und Onlinebereich. Spassorientiert sind die Hedonisten, die auf allen digitalen und Onlinekanälen Unterhaltung und Zerstreuung suchen.

Digitale Milieus im Detail

Zwei Beispiele für digitale Milieus und ihren Umgang mit dem Internet: die Gruppe der Performer stellt die effizienzorientierte Leistungselite mit hohem Ich-Vertrauen dar. Multitasking und Networking sind selbstverständlich, die Vertreter_innen dieser Gruppe haben eine hohe IT-Kompetenz und sehen die moderne Technik als Spielzeug und praktische Möglichkeit, die eigene Effizienz zu steigern. Die Nutzung von Streamingdiensten und Social-Media-Anwendungen sind deutlich über dem Durchschnitt. Die Performer nutzen gerne Mobile Apps zur Reiseorganisation, zum Streaming und Kalenderanwendungen. Die Gruppe erwartet von Kommunikationsmitteln, dass der unmittelbare persönliche Nutzen schnell ersichtlich ist und Informationen präzise und prägnant vermittelt werden. Die Kommunikation darf nicht drängend sein, edles Design und die Marke dürfen im Vordergrund stehen.

 

Das Milieu der Expeditiven ist die junge, ambitionierte und kreative Avantgarde und das am stärksten digital geprägte Milieu. Sie sind experimentierfreudig und ehrgeizig, streben allerdings nicht die klassische Karriere an und haben ein grosses Bedürfnis nach Kommunikation und Vernetzung. Interesse haben die Expeditiven an Anwendungen wie Streaming, Gaming, Fitness und Booking. Die Erwartungen an Webdienste und Mobile Apps sind hoch – sind dafür aber auch bereit, dafür zu zahlen. Sie sind die klassischen Netflixkund_innen und nutzen Social Media überdurchschnittlich. Das Milieu erwartet in der Kommunikation eine unkonventionelle, originelle und witzige Ansprache, die inspirierend und horizonterweiternd ist.

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Um sich der eigenen Zielgruppe anzunähern, gibt es unterschiedliche Ansatzpunkte. Ein schöner Ansatz sind die Sinus-Milieus: mit vordefinierten Gruppen geben sie eine wichtige Orientierung für massgeschneidertes Marketing.


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