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Ich weiss, wer du bist: Tracking und was dahinter steckt

Lesedauer: 7 Minuten

Thema: Datenschutz

Autorin: Sabine Stoll

 

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Des einen Freund, des anderen Feind: Tracking besorgt Datenschützer*innen und erfreut Marketingfachleute. Denn damit lassen sich wertvolle Informationen über die eigene Zielgruppe gewinnen. Nicht allen ist jedoch wohl damit, dass ihre Daten getrackt werden. Nicht ganz zu unrecht.

Für die Nutzer*innen von diversen Diensten wie Websites, Plattformen oder Apps ist Tracking eine eher undurchschaubare Sache: unklar ist, was überhaupt wie getrackt wird. Hinzu kommt personalisierte Werbung, Scoring oder Preisdiskriminierung, deren Basis Tracking ist. Lässt sich über personalisierte Werbung noch diskutieren, hört für viele beim Stichwort der Preisdiskriminierung (d. h. unterschiedliche Preise für verschiedene Nutzer*innengruppen). 

 

Thilo Hagendorff, der als KI-Ethiker am Institut für maschinelles Lernen in Tübingen forscht, spricht sogar davon, dass 90 % der international beliebtesten Websites nicht nur das User-Verhalten tracken, sondern die Daten auch an Dritte weitergeben.

Was ist Tracking überhaupt?

Beim Tracking werden Daten meist über einen längeren Zeitraum hinweg erfasst. (Bild: Fotografiert von Christina Branco. Credits: unsplash.com)
Beim Tracking werden Daten meist über einen längeren Zeitraum hinweg erfasst. (Bild: Fotografiert von Christina Branco. Credits: unsplash.com)

Tracking bedeutet, dass die Spuren der Nutzer*innen von Webdiensten wie Websites, Apps oder anderen Plattformen und Anwendungen quantifiziert, identifiziert und nachverfolgt werden.

 

Das Erfassen von Daten passiert dabei meist über einen längeren Zeitraum hinweg. Ich kann Tracking als Messung oder Datenerfassung bezeichnen – mit kritischerem Blick auch als Überwachung oder Eingriff in die Privatsphäre. 

 

Beim Tracking wird das Verhalten der User auf einer oder mehreren Websites erfasst, letzteres bietet besonders spannende wie auch heikle Daten und wird als cross-domain tracking bezeichnet. Beim cross-domain tracking werden die Daten von einzelnen Websites zusammengeführt und an einem zentralen Ort gespeichert. So lassen sich personenbezogene Profile einzelner Personen erstellen.

Ist das Thema Tracking überhaupt relevant?

Wirft man einen Blick in die Vergangenheit, so lässt sich ein langsamer und allmählicher Trend zur Quantifizierung von sozialem Verhalten feststellen. Entscheidungsprozesse basieren wir zunehmend auf Zahlen und Fakten und versuchen so, eine grössere Rationalität dieser Entscheidungsprozesse zu erreichen. Digitale Technologien ermöglichen uns nun, soziale Daten in grossem Masse zu erfassen. Wer hat wann die Website besucht? Welche Funktionen der App wurden von welchen Nutzer*innen besonders häufig genutzt? Wer klickte auf welchen Link? 

 

Mittlerweile gibt es verschiedenste Methoden, die Daten der Nutzer*innen zu messen und zu speichern. Viele davon gehen über das hinaus, was wir als klassischen «Cookie» von Websites kennen. Zahlreiche Webdienste setzen Cookies von Drittanbietern ein oder laden Java-Code externer Anbieter auf die Geräte der User. Gerade durch die Einbindung von Drittanbietertools wird Tracking intransparent und stellt insofern auch einen Eingriff in die Privatsphäre dar. 

Die Welt des Trackings

Wer ins Internet geht, wird auch getrackt. Zwar gibt es Tools, die gegen Tracking wirken – einen vollständigen Schutz gibt es aber nicht. (Bild: Fotografiert von Dan Nelson. Credits: unsplash.com)
Wer ins Internet geht, wird auch getrackt. Zwar gibt es Tools, die gegen Tracking wirken – einen vollständigen Schutz gibt es aber nicht. (Bild: Fotografiert von Dan Nelson. Credits: unsplash.com)

Fest steht: Wer das Internet nutzt, wird auch getrackt. Als herkömmlicher User ist es fast unmöglich, Tracking zu entgehen. Denn kaum jemand ist wirklich in der Lage zu erfassen, welche Daten wann und wie genau erfasst werden – und was anschliessend mit diesen passiert. 

 

Abhilfe bieten in manchen Browsern Plugins wie Adblock oder Ghostery. Solche Tools lassen sich oft kostenfrei installieren und sorgen dafür, dass keine Werbung gezeigt wird oder Skripte auf Website erst dann aktiviert werden, wenn man dies explizit erlaubt. Für das Smartphone gibt es spezielle Browser, auf denen Tracking nicht oder nur eingeschränkt möglich ist – dazu gehört z. B. Firefox Klar von Mozilla. Oft wird allerdings die Funktionalität der Dienste eingeschränkt, sobald Skripte deaktiviert werden.

Unternehmen brauchen Tracking

Im Marketing kommt man ohne Tracking nicht mehr weit. Denn als Marketer möchte ich wissen, wie meine Zielgruppe auf den Kommunikationskanälen agiert und auf meine Massnahmen reagiert. Ohne detaillierte Daten kann ich Entscheidungen nicht datenbasiert fällen, sondern nur den Erfolg der einzelnen Massnahmen selbst beurteilen, ohne die Einwirkung von Nebeneffekten (z. B. saisonale Effekte, Mitbewerber*innen) einpreisen zu können. 

 

Die aus Tracking generierten Daten spielen im Arbeitsalltag vieler Menschen eine wichtige Rolle, um Entscheidungen zu treffen – mir geht es übrigens nicht anders. Allerdings sollte ich als Unternehmen oder Marketingabteilung gut überlegen, welche Daten ich wirklich nutze und benötige. Brauche ich z. B. Heatmaps wirklich, oder ist deren Nutzen für mich im Grunde sehr gering? Tracking kann aber auch dabei helfen, Kaufanreize zu setzen oder das Verhalten der Nutzer*innen zu steuern. Hier muss ich mich als Organisation moralisch selbst hinterfragen, ob mein Umgang mit den Daten der User gerechtfertigt ist und vertretbar.

 

Das sind die Ziele von Tracking:

  • Analyse und Optimierung von Webdiensten: ich habe eine Website, schaue mir dort den Besucherfluss an und versuche diesen anhand der getrackten Daten zu optimieren. So kann ich z. B. auch die Nutzerfreundlichkeit meiner Website verbessern.
  • Messung der Effektivität: Detaillierte Daten wie Seitenaufrufe, Aufrufdauer einzelner Seiten, Seitenflussanalysen usw. zeigen auf, wie erfolgreich meine Werbemassnahmen sind. So kann ich durch Daten wie die Click-Through-Rate besser einschätzen, welche User auf meine Werbebanner reagieren (oder eben nicht).
  • Personalisierung: Durch die Erfassung von User-Daten kann ich die Inhalte meines Webdienstes besser auf die Bedürfnisse der Nutzer*innen abstimmen. Auch personalisierte Werbung, also Werbeinhalte, die auf das Profil des jeweiligen Users zugeschnitten ist, ist damit möglich und kann wiederum in seinem Erfolg durch die vorliegenden Daten beurteilt werden. Neben personalisierter Werbung kann ich im Grunde alle Inhalte wie z. B. Produktinformationen oder Preise anpassen und auf das Profil des Users zuschneiden. Wenn ich davon ausgehen, dass Mac-Nutzer*innen mehr zahlen als Windows-User, kann ich ersteres beispielsweise einen höheren Preis anzeigen.
  • Personalisierung von Suchmaschinen: Speziell lassen sich durch Tracking die Suchergebnisse von Suchmaschinen personalisieren. Ziel dabei ist für die Suchmaschine, aufgrund des Nutzerprofils die Inhalte zu zeigen, die am besten zum jeweiligen Profil passen. Grundlage können dabei z. B. Standort oder Uhrzeit sein, aber auch die vorherigen Suchanfragen oder besuchten Websites. 
  • Empfehlung von Inhalten: Eine spezielle Form des Trackings ist, diese für die Empfehlung von Inhalten zu nutzen. Dabei schlage ich meinen Nutzer*innen z. B. Produkte vor, die aufgrund ihres bisherigen Nutzungs- und Kaufverhaltens am besten passen würden oder ich für die jeweilige Gruppe absetzen möchte. 

Ist Tracking böse?

Die Antwort darauf ist ein klares: «Jein». Tracking hilft dabei, Anwendungen besser zu machen, nutzerfreundlicher, angenehmer, interessanter und relevanter für die User. Die gewonnenen Daten helfen also nicht nur dem Anbieter, sondern auch dem User. Cookies sorgen z. B. dafür, dass ein von mir in den Warenkorb gelegtes Produkt dort bleibt, auch wenn ich dazwischen noch andere Websites besuche. Durchaus praktisch also und auch eine Funktionalität, die ich mir als Nutzerin wünsche oder sogar erwarte.

 

Auf der anderen Seite stehen Problematiken wie die der Filterblasen: surfe ich durch ein komplett personalisiertes Web, werden mir nur Inhalte angezeigt, die zu meinem Profil passen. So komme ich im Zweifel nie an neue Inhalte oder stosse auf neue Meinungen oder Quellen. Problematisch ist Tracking aber v. a. durch seine Intransparenz. Den meisten Nutzer*innen ist vermutlich mittlerweile (mehr oder weniger) bewusst, dass Cookies existieren und diese Informationen auf meinem Gerät ablegen. Seit der DSGVO-Entscheidung der Europäischen Union sind Cookie-Banner ja kaum noch wegzudenken und sorgen so für mehr Sichtbarkeit von Cookies. 

 

Neuere Trackingmethoden allerdings sind deutlich ausgefeilter als das klassische Cookie und insofern auch kaum noch nachzuvollziehen. Dazu zählen z. B. die folgenden Methoden:

  • Ultraschall-Tracking: Dabei nutzen z. B. Smartphone-Apps die Ultraschallsignale ihrer Umgebung, indem Daten erfasst und über das Mikrofon weitergegeben werden. Dabei können z. B. Standort, User-Verhalten oder Kaufentscheidungen getrackt werden.
  • Biometric Tracking: Dabei können auf einem Smartphone haptische Daten ausgelesen werden, die meine physische Interaktion mit dem Gerät messen. Wie wische ich über das Smartphone, welche Gesten vollführe ich darauf?
  • Super Cookies: Klassischerweise werden die von mir erzeugten Cookies auch auf meinem Gerät gespeichert werden. Dies erlaubt mir eine gewisse Kontrolle darüber, denn so kann ich diese Cookies z. B. mit dem Schliessen meines Browsers löschen. Sog. Super Cookies allerdings werden zentral auf Servern gespeichert und entziehen sich damit der Kontrolle der Nutzer*innen. 
  • Session Replays: Tools wie Hotjar zeichnen die komplette Sitzung eines Users auf. Die Daten lassen sich dabei zwar auch über Heatmaps kumulieren, lassen aber auch deutlichen Rückschluss auf das Verhalten der einzelnen Nutzer*innen zu. Denn ich kann einzelne Sitzung wie bei einem Screen Recording abspielen und so exakt den Weg des jeweiligen Users nachvollziehen. 
  • Tracking im Internet der Dinge: Viele Geräte, von der Spülmaschine über die Heizungsanlage und den smarten Lautsprecher, sind mit dem Internet verbunden. Oft verfügen solche Geräte nicht einmal über die Möglichkeit, darauf Einstellungen zu treffen und z. B. ein Tracking ein- oder auszuschalten. Allerdings tracken praktisch alle diese Geräte zumindest ein Minimum an Daten und geben diese weiter. 

Tracking ist also nicht zwangsläufig negativ, sondern in erster Linie nicht durchschaubar für die Nutzer*innen. Dies macht es dann wiederum auch problematisch. Denn als Nutzerin erwarte ich vielleicht nicht, wie detailliert meine smarte Zahnbürste meine Nutzungsdaten aufzeichnet und weitergibt – und ich kann dies v. a. weder unterbinden noch einsehen oder kontrollieren. Solange ich mich dafür entscheide, das entsprechende Gerät einzusetzen, muss ich auch deren Tracking akzeptieren. 

Ich weiss, was du letzten Sommer getan hast

Ob der Verlust von Privatsphäre wirklich ein Problem ist, müssen wir als Gesellschaft diskutieren – und jedes Individuum für sich entscheiden. (Bild: Fotografiert von Sigmund, Québec, Kanada. Credits: unsplash.com)
Ob der Verlust von Privatsphäre wirklich ein Problem ist, müssen wir als Gesellschaft diskutieren – und jedes Individuum für sich entscheiden. (Bild: Fotografiert von Sigmund, Québec, Kanada. Credits: unsplash.com)

Tracking ist so weit verbreitet und Teil unserer technologisch geprägten Kultur geworden, dass ich als Individuum also permanent getrackt werde. Durch die ständige Datenerfassung wird mir ein Teil meiner Privatsphäre entzogen und ich bin praktisch gezwungen, überall Spuren zu hinterlassen. Dafür sorgen smarte Geräte, vernetzte Smart-Home-Anlagen, allgegenwärtiges Tracking auf Apps und Websites und natürlich mobile Geräte wie Watches, Smartphones und Tablets, die wir ständig mit uns führen. 

 

Ob dieser Verlust an Privatheit wirklich ein Problem ist, müssen wir uns als Gesellschaft fragen. Privatsphäre kann mich schützen, z. B. vor Diskriminierung und bietet mir einen Schutzraum als verletzliches Individuum vor dem Zugriff von Staat und Unternehmen. Informationelle Privatheit bietet mir die Chance, mich bewusst für eine Meinungsäusserung in der öffentlichen Sphäre zu entscheiden. Lasse ich mittels Technologie allerdings Unternehmen (und weitere Akteur*innen) in meine private Sphäre, fällt diese bewusste Entscheidung weg. Ich sende permanent Daten und gewissermassen vollziehe ich damit auch eine Meinungsäusserung. 

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